IFG & Wirtschaftskammer: Ihr Hebel für Transparenz bei 500.000-€-Projekten
Ab 1.9.2025 gilt in Österreich ein einklagbares Recht auf Zugang zu Informationen. Mitglieder können Finanzflüsse der Wirtschaftskammer anfordern und notfalls gerichtlich durchsetzen. Worum es geht Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ersetzt die Amtsverschwiegenheit durch ein Recht auf Zugang zu Informationen. Es gilt u. a. für Organe gesetzlich eingerichteter Selbstverwaltungskörper. Die Wirtschaftskammer ist ein solcher Selbstverwaltungskörper. Damit sind Informationen zu Projekten, Verträgen und Zahlungen grundsätzlich zugänglich. Vorteile für Bürger und Mitglieder
- Jedermannrecht auf Informationen; für Selbstverwaltung im eigenen Wirkungsbereich speziell gegenüber Mitgliedern.
- Kostenfrei beantragen; klare Fristen; Rechtsschutz bis zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichts.
- Verträge ≥ 100.000 € gelten als Informationen von allgemeinem Interesse.
Rechtsgrundlagen: § 1, § 2, §§ 7–12 IFG. Was Sie konkret anfordern können
- Alle Verträge, Bestellungen, Vergabevermerke, Beschlüsse und Protokolle zum 5-Jahres-Projekt (500.000 €).
- Zahlungsflüsse: Empfänger, Beträge, Daten, Leistungsgegenstand, Rechnungen und Leistungsnachweise.
- Zuordnung von Personal- und Sachkosten der Kammer zum Projekt (mit zulässigen Schwärzungen personenbezogener Daten).
- Falls Mittel über kammernahe, rechnungshofkontrollierte Unternehmen flossen: die entsprechenden Unterlagen.
Rechtsgrundlagen: § 2 Abs 2, § 6, §§ 13–14 IFG.
Rückwirkend an Daten kommen Die Übergangsregel beschränkt nur die proaktive Veröffentlichung älterer Informationen. Das Antragsrecht nach §§ 7 ff IFG erfasst alle vorhandenen Unterlagen. Existieren sie aufgrund Aufbewahrungspflichten, sind sie im Rahmen der Abwägung herauszugeben; erforderlichenfalls mit Teil-Schwärzung. Rechtsgrundlage: § 20 Abs 3 IFG; § 6 IFG. Verfahrensleitfaden
- Antrag stellen nach § 7 IFG. Bezeichnung: „Antrag auf Zugang zu Informationen nach IFG“. Präzise benennen, Zeitraum und Projekt nennen. Teilschwärzungen akzeptieren.
- Frist 4 Wochen (§ 8). Nur einmalige Verlängerung um weitere 4 Wochen mit Begründung.
- Keine oder ablehnende Antwort: Schriftlich Bescheid verlangen (§ 11 Abs 1; Erlassung binnen 2 Monaten).
- Rechtsschutz: Beschwerde oder Säumnisbeschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht (§ 11 Abs 2–3). Gericht kann die Herausgabe anordnen.
- Durchsetzung: Vollstreckung des Erkenntnisses nach den Regeln der Verwaltungsvollstreckung; Kostenfolgen möglich.
Typische Einwände der Kammer und Gegenargumente
- „Wir sind nicht IFG-pflichtig.“ Doch: Organe gesetzlicher Selbstverwaltung fallen unter § 1 Z 2 IFG.
- „Altakten sind ausgenommen.“ Falsch. Die Beschränkung betrifft nur proaktive Publikation. Vorhandene Unterlagen können beantragt werden (§ 20 Abs 3 IFG).
- „Kein Vergabeverstoß, daher kein Auskunftsrecht.“ Unerheblich. Das IFG knüpft an das Vorhandensein der Information, nicht an vergaberechtliche Schwellen.
- „Betriebs-/Geschäftsgeheimnis.“ § 6 IFG verlangt Abwägung. Beträge, Vertragsparteien und Leistungsgegenstand öffentlicher Aufträge sind regelmäßig herausgabefähig; personenbezogene Daten können geschwärzt werden.
Muster für den Antrag Betreff: Antrag auf Zugang zu Informationen nach IFG – Online-Handel-Projekt 20XX–20XX
Sehr geehrte Damen und Herren, gestützt auf §§ 1, 2, 7–9, 11, 12 IFG und Art. 22a B-VG beantrage ich Zugang zu folgenden Informationen aus dem eigenen Wirkungsbereich der Wirtschaftskammer:
- Alle Verträge, Vergabe-/Beschlussunterlagen, Protokolle, Bestellungen, Rechnungen und Zahlungsnachweise zum Online-Handel-Projekt (Gesamtvolumen ca. 500.000 €; Laufzeit 5 Jahre).
- Aufstellung sämtlicher Zahlungsflüsse an Auftragnehmer inkl. Beträgen, Leistungsgegenstand, Leistungszeitraum.
- Darstellung der zugeordneten Personal- und Sachkosten der Kammer für dieses Projekt.
- Sofern Mittel über rechnungshofkontrollierte Unternehmen abgeflossen sind: die entsprechenden Unterlagen gemäß §§ 13–14 IFG.
Ich akzeptiere erforderliche Teil-Schwärzungen nach § 6 IFG.
Bitte um Erledigung binnen 4 Wochen gemäß § 8 IFG oder begründete Fristverlängerung. Bei Nichtgewährung ersuche ich binnen 2 Monaten um Bescheiderlass (§ 11 IFG). Mit freundlichen Grüßen Sanktionen und Risiken bei Blockade
- Prozessuale Sanktion: Gerichtliche Verpflichtung zur Herausgabe (§ 11 Abs 3 IFG) mit Vollstreckung. Kostenfolgen zulasten der informationspflichtigen Stelle.
- Dienst-/aufsichtsrechtliche Konsequenzen: Pflichtverletzungen von Organwaltern können intern disziplinär geahndet werden.
- Zivilrechtlich: Bei rechtswidriger Verweigerung und Schaden denkbar: Amtshaftungsansprüche.
- Strafrechtlich (nur in engen Fällen): Amtsmissbrauch (§ 302 StGB) setzt voraus: Amtsträgereigenschaft, Missbrauch einer Befugnis in Vollziehung, Vorsatz auf Rechtsverletzung/Schädigung. Reine Fehlbeurteilung oder bloßes Zögern genügt nicht. Strafbarkeit ist daher nur bei klar rechtswidriger, vorsätzlicher Vereitelung des IFG-Anspruchs diskutabel.
Hinweis: Strafrecht ist ultima ratio. Primär greift der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz nach IFG. Fazit: Warum die Wirtschaftskammer auskunftspflichtig ist
- Rechtsstellung: Gesetzliche Selbstverwaltung ⇒ vom IFG erfasst (§ 1 Z 2 IFG).
- Informationsbegriff weit: Alle aufzeichnungsfähigen Unterlagen, inkl. Verträge, Rechnungen, Protokolle (§ 2 Abs 1 IFG).
- Großverträge öffentliches Interesse: Verträge ≥ 100.000 € sind ausdrücklich von allgemeinem Interesse (§ 2 Abs 2 IFG).
- Durchsetzbares Verfahren: Antrag, Vier-Wochen-Frist, Bescheidspflicht, Beschwerde/Säumnisbeschwerde, Herausgabeanordnung (§§ 7–11 IFG).
- Altakten möglich: Antragsrecht für vorhandene Unterlagen; die Einschränkung des § 20 Abs 3 betrifft nur die proaktive Veröffentlichung.
- Ausnahmen eng: Geheimhaltungsgründe nach § 6 erfordern Interessenabwägung; Teil-Schwärzung statt Totalverweigerung.
Rechtsgrundlagen im RIS: Informationsfreiheitsgesetz (BGBl. I Nr. 5/2024, Fassung ab 01.09.2025) · Art. 22a B-VG